Schmerzen & bewegen?

Schonen ist keine Option

Immer wieder bekomme ich Mitteilungen von KursteilnehmerInnen, dass sie sich im Moment wegen Schmerzen nicht bewegen könnten und deshalb ihre Teilnahme an der Bewegungsstunde absagen müssten.

Das ist immer schade, da Schonung keine Option ist bei Schmerzen. Wenn wir beobachten, wo denn der Schmerz stattfindet, ist das weder in den Knochen noch in den Gelenken und es sind auch nicht die Nerven, die schmerzen, weil dort gar keine Rezeptoren sind für Schmerzen. Es sind die Gewebe, in denen sich Schmerzrezeptoren befinden und die via Nerv die Information, dass etwas nicht stimmt, zum Gehirn lenken. Die Muskeln, die verkürzt, verspannt und verklebt sind, senden Signale an das Gehirn, dieses meldet: Schmerz! Deshalb ist die Therapie nicht schonen und ruhen sondern bewegen, bewegen, bewegen!

 

Obwohl es Überwindung braucht, sich bei Scherzen trotzdem zu bewegen muss in Betracht gezogen werden, dass beim Schonen die Beweglichkeit noch mehr eingeschränkt wird. Dadurch entsteht ein Teufelskreis: Muskeln verkürzen und verkleben noch mehr, weniger Sauerstoff kann aufgenommen und transportiert werden, Stoffwechsel-Endprodukte werden langsamer und nicht vollständig ausgeschieden. Viele Prozesse im Körper stocken. Die Folge davon können chronische Schmerzen, höhere Anfälligkeit für Entzündungskrankheiten, Müdigkeit, Niedergeschlagenheit, wenig Energie sein. Dadurch noch weniger Bewegungslust.

Natürlich profitieren viele davon: Pharmaindustrie, Ärzte, Psychologen (auch schön für sie). Die Folge davon kennen wir alle: steigende Gesundheitskosten, viele Absenzen in Firmen usw.

 

Ebenso ist auch "älter werden" kein Grund, sich weniger zu bewegen; im Gegenteil! Der Körper baut sowieso ab. Deshalb ist es erst recht wichtig, sich VIEL und VIELFÄLTIG zu bewegen. Bei regelmässiger Bewegung bleibt das Gehirn frisch. Neues lernen ist eine Frischzellenkur für das Gehirn, im Speziellen gilt dies für das Bewegungslernen, da dies mehrdimensional geschieht. Die Selbständigkeit kann länger erhalten werden.

 

Für viele Menschen gehört der Besuch im Fitnesscenter zur regelmässigen Freizeitaktivität. Dagegen wäre nichts einzuwenden. Man sollte einfach bedenken, dass Kraftmaschinen mit konzentrischer Kraft bewegt werden. d.h. die Muskeln werden zwar gross, sie verkürzen aber auch. Dadurch wird die Beweglichkeit (der Gelenke) eingeschränkt. Mann sollte also nicht überrascht sein, dass Nacken- und Schulterschmerzen trotz intensivem Training nicht verschwinden. Um dies zu verhindern muss gedehnt werden!

 

Das gute leben

Mentale Katastrophenhilfe - warum Geld die beste Hilfe ist

Von Rolf Dobelli

 

In Syrien bombardieren Kampfflugzeuge gezielt Spitäler und Hilfskonvois. IS-Schergen köpfen Menschen vor laufender Kamera. In Libyen versklaven Schlepperbanden Männer, Frauen, Kinder und schicken

sie dann, wenn sie ausgepresst sind, in Gummibooten aufs Mittelmeer hinaus, wo die Hälfte ertrinkt. In Ostafrika rafft eine Hungerkatastrophe nach der anderen Millionen von Menschen dahin. Babys in aller Welt kommen mit Aids zur Welt und fristen dann ein kurzes, bitteres Leben. Hinter zahllosen Türen weltweit tobt häusliche Gewalt.

Die Welt ist voller Greuel. Und hier lesen Sie eine Kolumne über das gute Leben. Wie passt das zusammen?

Wer ein Minimum an Empathie besitzt, wird mit Empörung auf Katastrophen reagieren. Doch die wenigsten Menschen haben einen Plan, wie mit dieser Empörung umzugehen ist. Jede Geschichte schreit nach Hilfe. Am liebsten würden wir gleich mit einer riesigen Ladung Wasser nach Äthiopien reisen, um den Verdurstenden persönlich davon zu trinken zu geben. Nur fällt uns im nächsten Augenblick ein, dass die Kinder die Hausaufgaben noch nicht erledigt haben, die Duschbrause entkalkt werden muss und die Butter aufgebraucht ist.

Trotzdem macht uns die Ungerechtigkeit der Welt zu schaffen. Wir brauchen eine persönliche Strategie, das heisst mentale Werkzeuge, um mit den Desastern dieser Welt umzugehen, ohne unser inneresGleichgewicht zu verlieren.

Hier fünf Empfehlungen:

 

Erstens. Ausser Sie heissen zufälligerweise Kaiser Augustus, Karl der Grosse oder John F. Kennedy, werden Sie persönlich nicht viel ausrichten können. Seien Sie sich dessen bewusst. Die meisten menschengemachten Katastrophen (Konflikte, Kriege, Terrorismus) sind viel komplexer, als es den Anschein hat. Darum kann niemand ihren Verlauf vorhersagen. Und darum dauern sie immer länger als prognostiziert.

Man braucht keinen Doktortitel in militärischer Führung, um zu verstehen, dass die meisten Konfliktherde rein militärisch nicht zu löschen sind. Das Leben fast aller Einwohner Libyens oder des Iraks war vor der gutgemeinten Intervention der westlichen Staaten besser als danach – ein ungeplanter Nebeneffekt. Auch als Präsident der USA mit dem denkbar besten Beraterstab würden Sie sich in den meisten Fällen überschätzen, Sie würden irren und sich die Finger verbrennen. Nicht wegen fehlender Empathie, Feuerkraft oder Intelligenz, sondern wegen der ausufernden Komplexität solcher Konflikte. Selbst eine scheinbar mächtige Organisation wie das World Economic Forum (WEF), die von sich behauptet, «die Welt zu einem besseren Ort» machen zu wollen, ist bisher an ihrer Mission gescheitert. Bei allen erstklassigen Beziehungen zu den Reichen und Mächtigen hat das WEF seit Bestehen objektiv betrachtet nichts erreicht. Also, überschätzen Sie sich nicht. Sie allein werden der nächsten Katastrophe nicht beikommen können. Und wenn Sie glauben, Sie hätten die Patentlösung zur Beendigung eines Krieges gefunden, denken Sie noch einmal scharf nach. Die Chance ist gross, dass jene, die näher dran sind und sich hauptberuflich mit dem Thema befassen, Ihre Patentlösung schon vor einiger Zeit aus guten Gründen verworfen haben.

 

Zweitens. Wenn Sie mithelfen wollen, das Leiden auf diesem Planeten zu verringern, spenden Sie Geld. Ausschliesslich Geld. Reisen Sie nicht ins Krisengebiet, ausser Sie seien von Beruf Notärztin, Bombenentschärfer oder Diplomatin. Viele Menschen fallen auf die Volunteer’s Fallacy hinein – sie glauben, Freiwilligenarbeit sei sinnvoll. In Wahrheit vernichtet Freiwilligenarbeit Wert. Ihre Zeit ist am sinnvollsten in Ihrem Kompetenzkreis investiert, weil Sie dort am meisten Wert pro Tag generieren. Wenn Sie Wasserpumpen in der Sahara installieren, erledigen Sie Arbeit, die lokale Brunnenbauer zu einem Bruchteil der Kosten ausführen könnten. Zudem nehmen Sie ihnen die Arbeit weg. Angenommen, Sie können durch Freiwilligenarbeit einen Brunnen pro Tag bauen. Wenn Sie hingegen diesen einen Tag in Ihrem Beruf arbeiten und mit dem dabei verdienten Geld die lokalen Brunnenbauer bezahlen, stehen am Ende des Tages hundert neue Brunnen. Klar, man fühlt sich gut als freiwilliger Helfer, doch darum sollte es nicht gehen. Dieses warme Samaritergefühl ist eine Denkfalle. Die hervorragenden Spezialisten vor Ort (Médecins sans Frontières, das Rote Kreuz, Unicef) werden Ihr Geld mit einem höheren Wirkungsgrad investieren, als Sie es je könnten. Darum: Arbeiten Sie hart, und legen Sie das Geld in die Hände von Profis.

 

Drittens. Schränken Sie Ihren Nachrichtenkonsum drastisch ein – besonders wenn es um humanitäre Katastrophen geht. Katastrophenbilder zu konsumieren und vor dem TV in Empathie für die Opfer zu zerschmelzen, hilft nicht – weder den Opfern noch Ihnen. Sich für die Katastrophen dieser Welt zu «interessieren», ist reiner Voyeurismus. «Sich zu informieren», mag Ihnen das Gefühl von Humanität verleihen, doch in Wahrheit betrügen Sie sich selbst. Und die Opfer dazu. Um einen Konflikt, einen Krieg, eine Katastrophe wirklich zu verstehen, lesen Sie am besten ein Buch, selbst wenn es mit einer Verzögerung von einem Jahr erscheint. An dem Drama können Sie (ausser mit Hilfsspenden) ohnehin nichts ändern.

 

Viertens. Sie dürfen davon ausgehen, dass das Universum voller Leben ist und dass auf unzähligen anderen Planeten ebenfalls Leiden, Katastrophen, Qualen grassieren. Diese Überlegung hilft, Abstand zu gewinnen. Konkret: Das Böse ist immer und überall vorhanden, es ist universell und nicht auszurotten. Da Ihre persönlichen Mittel beschränkt sind, müssen Sie sich fokussieren. Wählen Sie zwei oder drei Hilfswerke, die Sie mit grosszügigen Spenden versorgen. Die anderen Greuel – in Ihrer Stadt, in Ihrem Land, auf diesem Planeten oder auf anderen Gestirnen – müssen Sie stoisch hinnehmen.

 

Fünftens. Sie sind nicht für den Zustand der Welt verantwortlich. Klingt hart und unsympathisch, entspricht aber der Wahrheit. Der Nobelpreisträger Richard Feynman hat diesen Gedanken von John von Neumann übernommen, dem genialen Mathematiker und Vater der Informatik: «John von Neumann gab mir diese interessante Idee: Du bist nicht verantwortlich für die Welt, in der du dich befindest.

Also habe ich für mich eine Art soziale Unverantwortlichkeit entwickelt. Sie hat mich seither sehr glücklich gemacht.»

Was Feynman mit «sozialer Unverantwortlichkeit» meint: Fühlen Sie sich nicht schlecht, wenn Sie sich auf Ihre Arbeit konzentrieren, statt Spitäler in Afrika zu errichten. Es gibt keinen Grund, sich schuldig zu fühlen, wenn es Ihnen zufälligerweise besser geht als einem Bombenopfer in Aleppo – es könnte genauso gut umgekehrt sein. Führen Sie ein anständiges, produktives Leben, und seien Sie kein Unmensch. Damit haben Sie schon einiges für eine bessere Welt getan.

 

Fazit: Legen Sie sich eine Strategie zu, wie Sie das Leiden dieser Welt verarbeiten. Es müssen nicht die hier vorgeschlagenen Empfehlungen sein. Aber es ist wichtig, dass Sie eine Strategie haben.

Sonst werden Sie Mühe haben, Ihr Leben zu leben, werden hin und her gerissen sein zwischen allem, was auch noch getan werden müsste, werden sich schuldig fühlen – und unter dieser Last am Ende doch nichts erreicht haben.

 

Aus der NZZ vom 30.12.2017

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